Ein Nachruf von Sally Griffyn
Doreen war eine alte Freundin, die ich nur für eine kurze Zeit kannte. Diesmal. Sie selbst sagte, es sei schade, dass ihre Inkarnation schon so früh passiert sei, so dass sich unsere Wege lediglich in den letzten fünf Jahren ihres Lebens gekreuzt hätten – in diesem Leben.
Doreen war stolz, eine Hexe zu sein. Sie lebte wie eine Hexe, und sie starb wie eine Hexe. Anfang dieses Jahres (1999, d.Red.) nahm sie meine Hand in die ihre und sagte: „Ich denke, ich werde nicht mehr lange hier sein, meine Liebe“. Wir sprachen gerade über das Millennium und ihren Wunsch, das 21. Jahrhundert noch zu erleben. In der Tat wollten wir im November’99 unbedingt noch einen Wochenend-Workshop zum Millennium in Glastonbury machen, und bis hin zu den letzten paar Wochen ihres Lebens wollte sie unbedingt dort hin, um ihren Lieblingsplatz nochmals zu sehen. Sie liebte Glastonbury. Ihr Bewunderung für Dion Fortune, die dort lebte, wie auch ihre späteren Besuche in Glastonbury, zusammen mit der Liebe ihres Lebens, Ron, machten Glastonbury zu einem Platz, der sie auf besondere Weise ansprach.
Doreen glaubte, dass sie in den letzten Jahren des Fische-Zeitalters lebte und sprach davon als einer Zeit des Übergangs, in der, bevor das goldene Wassermann-Zeitalter sich manifestieren konnte, es noch einmal zu einem Kick zurück zu alten Wegen der Rigidität kam. Dies passierte auch im Wicca. Sie glaubte fest daran, dass wir Hexen innerlich beweglicher werden müssten, um Wicca von den Dogmen zu befreien; z.B. dürfe man nicht jedes Wort des Schattenbuches als Bibel ansehen.
In den letzten paar Jahren änderte Doreen ihre Meinung über viele Dinge. Sie wurde Vegetarierin. Sie war schon immer gegen die „blutigen Sportarten“, aber als Ron starb, hörte sie auf, Fleischkuchen zu essen, die er geliebt hatte. Dann revidierte sie ihre Meinung über verschiedene Aspekte der Craft. Obwohl sie Gerald Gardner sehr mochte, meinte sie, dass er etwas gegen Homosexuelle gehabt hätte, was er in die „laws“ habe einfließen lassen, die sein Produkt und das seiner Zeit waren. Die „Regel“, die gleichgeschlechtliche Initiationen nicht akzeptiert, hielt sie für nicht wirklich gültig. Initiationen von Schwester zu Schwester, Bruder zu Bruder und Priesterin zu Priester seien alles Wege, um zu den Göttern und Göttinnen der Craft Zugang zu erhalten. Doreen sprach von der Wichtigkeit des Gleichgewichts im Neuen Millennium. Ihre Zuneigung zu Gardner wie auch zu einer anderen männlichen Hexe, Robert Cochrane, mit dem sie in den sechziger Jahren gearbeitet hatte, bedeutete nicht, dass sie nicht der Ansicht war, Männer in der Craft seien von ihrem Ego besessen.
Sie hatte viele Fragen, und eine, die sie in den letzten Jahren völlig einnahm, war die Frage „Wer initiierte die erste Hexe“. Das gab mir die Möglichkeit, jungen Leuten auf meinen Workshops einen besonderen Blick auf das Book of Shadows zu geben: nämlich, dass es von jemandem geschrieben worden war, was bedeutet, dass man auch nicht mehr darin sehen sollte, als einige sehr gute Ratschläge, einige Rituale und Hexenregeln. Doreen wollte nicht, dass man es als Bibel nehmen solle und ermutigte mich, mein Buch durch Ideen und Techniken zu ergänzen, die ich selbst entwickelt hatte. Doreen ermutigte mich, über das Book of Shadows im Zusammenhang mit der Zeit, in der es entstanden war, nachzudenken. Obgleich sie eine Feministin war, forderte sie Aufmerksamkeit gegenüber der Rolle von Gott und Göttin. Viele beachten lediglich die Göttin, und dies bedeutet für spätere Zeiten, dass der Gott in den Hintergrund verbannt wurde. Wenn wir nicht beiden Rollen unsere Aufmerksamkeit schenken, bleiben wir im selben Konstrukt stecken, wie die Christen.
Ich weiß, Doreen fühlte, dass sie den Zweck ihres Lebens erfüllt hatte, und dass es an der Zeit war, zu gehen. Wenn sie noch lebte, hätte sie jetzt ein Buch über den tantrisch-magischen Gebrauch von Dildos geschrieben. Dies war das nie geschriebene Buch, von dem sie hoffen würde, dass es jemand übernehmen würde, es zu schreiben.
Sie liebte Rhythmus in ihren Invokationen. Sie liebte Rituale und „working outdoors“ in den Wäldern. Ich hatte das Vergnügen, mit dieser lieben Freundin in einigen wenigen Kreisen zu stehen innerhalb der letzten Jahre. Auf Einladung meines Covens sprach sie den Charge der Göttin mit mir zusammen, als der volle Mond über den Bäumen aufging. Jahre später wurde uns klar, dass der letzte Vollmond im Mai 1999 das letzte Mal sein würde, dass wir ein Ritual zusammen machen würden. Obwohl sie zu der Zeit schon Krebs hatte, hatte sie keine Ahnung davon, krank zu sein, und im Mondlicht sah sie aus wie ein junges Mädchen. Ihre Jugendhaftigkeit war so beeindruckend, dass ich sie darauf ansprach.
Im 76. Ihrer 77 Jahre fing sie an, Marihuana zu rauchen. Sie war überzeugt davon, dass Gras legalisiert werden müsse, und sagte: „Man verpasst sonst das halbe Leben, meine Liebe“. Ihre Interesse kündigte sie damit an, dass sie einen Riesenhaufen Gras gekauft hatte und mich bat, ihr zu zeigen, wie man es rauchte. Ich brauchte drei mal, ihr beizubringen, zu saugen anstatt zu blasen, bevor sie mich bat, mehr Gras für sie zu kaufen. In ihrem Herzen war sie ein Hippie, was schon ihre umfangreiche Garderobe von knallbunten Kleidern beweist, die sie second-hand kaufte. In der Zeit, aus der sie stammte, hatte man Kleider zu tragen, die steif waren wie ein Brett und darüber hinaus stocklangweilig. In ihren späteren Jahren wählte sie daher vornehmend Kleidern aus den sixties.
Über viele Jahre arbeitete Doreen zusammen mit Ron, und dann, nachdem wir uns getroffen haben – ich war bei ihr aufgekreuzt, um von ihr Aufnahmen zu machen für das Buch „Witches: an encyclopaedia of Witchcraft and Paganism“ – wollte sie an meinem Craft-of-the-Wise-workshop teilnehmen.
Ich erinnere mich, dass ich dachte, was soll ich ihr beibringen, aber Doreen war immer offen für neue Ideen, bis zu dem Tag, als sie starb. Später arbeitete sie mit meinem Coven und unterstützte einige Veränderungen, die ich vornahm. Ich wollte einige Worte des Challenge ändern, und sie unterstützte mich darin. Sie liebte die Einfachheit und verband dies mit ihrer natürlichen Art, sich den Dingen zu nähern. Tatsächlich sagte sie immer, sie sei eine Hexe und nicht „eine Wicca“. Als moderne Denkerin fand sie einen Platz in einem Coven, der nicht so traditionell ist, wie andere.
Doreen war humorvoll und intelligent. Sie liebte die Craft und die alten Wege. In der Zeit ihrer Krankheit sprach sie vom Bett aus über Magie. Ihre Krankheit war nur von kurzer Dauer und wir meditierten zusammen, während sie zurückging in die Nebel von Avalon. Ich verbrachte eine wertvolle Zeit mit Doreen und zwei Mitgliedern meines Covens. Es war eine Zeit der Innenschau und priesterlicher Weisheit, und ich bin sicher, sie fühlte sich wohl mit ihrer Entscheidung, zu gehen. Sie starb bei abnehmendem Mond. Wie jede gute Hexe hatte sie einen guten Tod. Ich schrieb dies als eine Erinnerung für Doreen als einer liebenswerten Frau und einer Frau, die ich liebe. Mit ihren eigenen Worten: „Up the Goat“.
Den obigen Artikel schrieb Sally Griffyn für das STEINKREiS-magazin; übersetzt hat ihn Theo Erlemann.